Singen - mehr als nur schöne Klänge
Das Popkultur Festival in Berlin findet seit 2015 im Prenzlauer Berg, auf dem Gelände der Kulturbrauerei statt. Es bietet ein 4-tägiges buntes Programm aus allen Bereichen der Popmusik, von öffentlichen Diskussionen über Auftragswerke und Konzerten internationaler Künstler*innen. Das Nachwuchs Programm bietet dabei an drei Tagen Workshops und Talks, durch welche ausgewählte Nachwuchs-Popmusiker*innen sich inhaltlich und professionell weiter entwickeln können.
Ich habe beim Popkultur Nachwuchs Programm 2013 als Workshop Managerin gearbeitet, und mich dafür eingesetzt, dass die Zusammenarbeit mit Referent*innen, Teilnehmenden und der Technik reibungslos ablief. Während ich die Veranstaltungen betreut habe, habe ich selbst viel Neues dazu gelernt. Ich habe meine Angst vor der Musikindustrie und scheinbar "trockenen" Themen wie Musikrecht verloren, als ich mit Profis gesprochen habe, die sich wirklich für die Entwicklung von Künstlern einsetzen. Mir wurde klar, dass wir alle zwei Dinge wollen: großartige Musik machen und dafür auf respektvolle und wertschätzende Weise miteinander in Kontakt treten.
Als ich abends auf dem Festival über die Konzertallee schlenderte, fiel etwas auf -
Ich wurde an dem Abend an die Freuden am Singen erinnert. Daran erinnerte mich die öffentliche Karaoke-Veranstaltung in der Çaystube, bei der die Gastgeber alles von Britney bis Rihanna mit einer Leidenschaft sangen, die ihresgleichen sucht. Eine Darbietung, die nur zum Spaß diente. Das Publikum wurde zum Mitsingen von "Torn" oder "Hit me babe one more time" animiert und sang lautstark seinen Lieblings-Popsong mit. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich mich zu sehr auf einen Tunnelblick beim Üben konzentriert hatte, statt dem Spaß an Musik, bei dem es sich nicht um die Perfektion von Tönen oder Vokalformen dreht. Es fühlte sich an diesem Abend für mich wie ein Privileg an, Musikerinnen wie C´est Karma oder Rasha Nahas dabei zuzusehen, wie sie sich ihre Bühne zu eigen machen. Nicht nur die Melodien prägte ihren Gesang, sondern die Wut, die Traurigkeit, die Bitterkeit, die Süße - die Geschichten hinter jedem Lied, das sie sangen.
Diese Nacht mit all ihren musikalischen Entdeckungen hat mich wieder daran erinnert, was wir schön oder inspirierend finden, ist nicht nur individuell, sondern vor allem viel mehr als die Oberflächlichkeit, in die wir als Frauen und Mädchen ständig gedrängt werden. Durch diesen gesellschaftlichen Druck gibt es eine Schönheit, die leer ist: Sie klammert sich an unser Aussehen und unseren Klang und ist so sehr mit ihrer eigenen Wahrnehmung beschäftigt, dass sie ihre Verbindung und Bedeutung verliert.
Und das findet sich auch bei Sänger*innen wieder, die so sehr auf jeden klaren Ton achten, dass ihnen dabei die Freude am Auftritt verloren geht. Als ich merkte, wie befreit ich mich an diesem Abend fühlte, wurde mir klar, was es kostet, sich hinter etwas zu verstecken, das schön ist - aber nicht man selbst. Wenn wir diese Verbindung wiederfinden, zu uns selbst und zu dem Lied, das wir gerade singen, zu seinen Emotionen und all dem Gesichtsausdruck, für den wir als hässlich bezeichnet wurden, all den seltsamen Körperbewegungen, die wir versucht haben zu verstecken - dann liegt darin eine Ehrlichkeit und die Kühnheit. Ambivalenzen, die wir uns nie erlaubt haben zu zeigen.
Und nur so können wir Schritte gehen auf unserem musikalischen Weg, die wir im Rückblick als unsere Eigenen erkennen.